Kritik an der Cochran Omega-3-Studie

Für Omega-3 Fettsäuren, die hauptsächlich in fetten Seefischen und Krillöl vorkommen, wurden eine ganze Reihe von gesundheitlich positiven Wirkungen nachgewiesen. Nicht zuletzt sollen sie Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen, den Blutdruck und den Cholesterinspiegel senken und einiges mehr . Jetzt erschien eine Studie der renommierten Cochran Collaboration, einem Netz von Wissenschaftlern und Ärzten; die Übersichtsarbeiten zur Bewertung von medizinischen Therapien erstellen. Die Cochran-Studie kommt zu dem Schluss, dass eine vermehrte Aufnahme der Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) nur geringen oder keinen Effekt auf die Sterblichkeit oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat. Nur das pflanzliche ALA (Alpha-Linolensäure) würde Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Mortalität und Herzrhythmusstörungen leicht senken. [1] Wie ist diese Studie einzuschätzen? Müssen wir uns jetzt nicht mehr um den Omega-3-Wert kümmern? 

 

(HS Omega-3 Index Blut Selbsttest)

Was wurde untersucht?

Die Cochrane-Forscher durchforsteten verschiedene Datenbanken und fanden 79 Studien zum Thema, von denen sie 25 randomisiert kontrollierte Studien auswerteten. Die einzelnen Untersuchungen dauerten zwischen 12 und 72 Monate und umfassten über 112.000 gesunde oder bereits an Herz-Kreilauf-Erkrankungen leidende Erwachsene aus Nordamerika, Europa, Asien und Australien, hauptsächlich Ländern mit hohem Einkommen. Man bewertete, welche Auswirkungen der zusätzliche Verzehr von Omega-3-Fettsäuren (meistens in Form von Nahrungsergänzungsmitteln) auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat im Vergleich zu normaler Ernährung. 

Zu welchem Ergebnis kam man?

Laut den Analysen der Forscher hat eine erhöhte Zufuhr langkettiger Omega-3-Fettsäuren von Fischen (EPA und DHA) keinen oder lediglich einen geringen Effekt auf das Sterberisiko jeglicher Ursache, die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall oder das Auftreten von Herzrhythmusstörungen. Nur die pflanzlichen Omega-3-Säure ALA scheint in geringem Maße gegen Herzrhythmusstörungen zu schützen.

Hinweise, dass EPA, DHA oder ALA schwere unerwünschte Nebenwirkungen haben, Fettleibigkeit oder die Blutfettwerte ungünstig beeinflussen, fanden die Cochrane-Autoren nicht.

Wie ist die Studie zu bewerten?

Bei dieser Übersichtsarbeit handelt es sich um eine durchaus ernst zu nehmende und vertrauenswürdige systematische Studie. Sie umfasst Informationen von vielen Tausenden von Menschen über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr, so scheint es zumindest. Trotzdem muss man die Ergebnisse dieser Studie mit Vorsicht betrachten. Folgende Punkte sollte man bei der Beurteilung der Studie bedenken:

  1. Gerade die große Teilnehmeranzahl, die zuerst einmal positiv wirkt, könnte ein Problem darstellen: Ob nämlich eine vermehrte Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren einen herzschützenden Effekt hat, hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab: Hat die untersuchte Gruppe bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung? Und vor allem: Wie ist ihre normale Grundversorgung an Omega-3-Fettsäuren? Studien aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Ernährungskulturen in einen Topf zu werfen, wird zu keinem verlässlichen Ergebnis führen. „Untersucht man den Effekt von Omega-3-Supplementen in Japan, wo viel Fisch gegessen wird, findet man keinen Effekt. Schaut man sich dagegen eine westliche Population in Bezug auf Herzinfarkt an, findet man eine signifikante Abnahme der Sterblichkeit, die durch die Wirkung der Omega-3-Fettsäuren erklärbar ist“, so der Präventionsmediziner Dr. Johannes Scholl, Rüdesheim am Rhein, in einem Interview mit Medscape [2].
  2. In den meisten Studien, die in dieser Übersicht berücksichtigt wurden, hatten die Versuchspersonen bereits eine Herz-Kreislauf- Erkrankung. Das schränkt die Aussagekraft der Studie deswegen ein, weil ein substantieller Teil erstmalig auftretender Herzinfarkte tödlich verlaufen. Frühere Studien lieferten Hinweise darauf, dass Omega-3-Fettsäuren dieses Risiko reduzieren. So etwas kann aber nur in Studien mit herzgesunden Versuchspersonen nachgewiesen werden. [3]
  3. In den meisten Studien wurde eine Nahrungsergänzung mit Fischölkapseln untersucht. In einigen kamen auch mit EPA, DHA oder ALA angereicherte Lebensmittel (z. B. Margarine) oder Ernährungsempfehlungen zum vermehrten Verzehr von omega-3-reichen Lebensmitteln zum Einsatz. Diese Gruppen wurden entweder gegen Probanden mit Placebo oder mit normaler Ernährung verglichen. Das sind insgesamt gesehen sehr heterogene Ausgangsbedingungen. (Das als Omega-3-Quelle im Vergleich zum Fischölkapseln deutlich effektivere Krillöl  wurde in der Studie nicht untersucht.)
  4. Die Studie behandelt nur das Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten, andere mögliche positive Effekte von Omega-3-Fettsäuren, wie für das Denken, ADHS, Depression etc. wurden nicht untersucht.
  5. Die positiven Effekte von Omega-3-Fettsäuren werden in den meisten Untersuchungen bei einer zusätzlichen Dosis von mehr als 3 g pro Tag klar sichtbar. Die typische Dosis in den untersuchten Studien lag jedoch bei 1 g pro Tag. [3, 5]

Nach unserer Ansicht ist die Cochrane-Metaanalyse nicht die geeignete Methode, um herauszufinden, ob Omega-3-Fettsäuren vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Man sollte sich vielmehr auf qualitativ hochwertige Studien verlassen, die in einer relevanten Patientenpopulation durchgeführt wurden. Deswegen sollte man nicht nur diese eine Metastudie betrachten, sondern auch die Ergebnisse der buchstäblich tausenden anderen randomisierten kontrollierten Studien, Beobachtungsstudien, Tierversuchen und In-vitro-Untersuchungen, die etwas über die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren aussagen können. 

Der bekannte Omega-3-Forscher William Harris von der University of South Dakota fasst das folgendermaßen zusammen: „Die Versuchspersonen in diesen Studien waren meist älter, hatten bereits einige chronische Krankheiten und nahmen mehrere andere Medikamente. Außerdem wurden in den meisten Studien nur geringe Dosen an Omega-3 eingesetzt und die Studien liefen normalerweise nur über 2-3 Jahre. Es mag sein, dass unter diesen Bedingungen Omega-3-Fettsäuren das Risiko für Herzkrankheiten nicht wesentlich reduzieren. Aber die Schlussfolgerung, Omega-3-Fettsäuren würde nicht die Herzgesundheit verbessern, ist viel zu allgemein.“ [4]

Mein Fazit

Ich empfehle auf jeden Fall, zunächst die Grundversorgung mit Omega-3-Fettsäuren, also den Omega-3-Wert, mit einem Bluttest zu überprüfen und das individuelle Herz-Kreislauf-Risiko oder andere Beschwerden einzuschätzen. Bei einem zu geringen Omega-3-Wert und/oder erhöhtem Omega-3-Bedarf ist eine Nahrungsergänzung, zum Beispiel mit Krillöl, auf jeden Fall sinnvoll.

Quellen:

[1] https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD003177.pub3/full

[2] https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4907176#vp_1

[3] https://www.cochrane.org/news/scientific-expert-reaction-cochrane-review-omega-3-fatty-acids

[4] https://www.nutraingredients-usa.com/Article/2018/07/18/Experts-say-Cochrane-review-that-finds-little-support-for-CVD-benefits-of-omega-3s-fails-to-properly-weigh-totality-of-evidence

[5] https://www.skeptics.com.au/2018/08/06/cochrane-negative-review-of-omega-3-rebutted-and-the-rebuttal-rebutted/